(aus: Neues Deutschland vom 03.01.2004) Mexiko: Zapatisten feierten friedlich Kultur statt Waffen am 10. Jahrestag des Aufstands der EZLN aus Chiapas berichtet Luz Kerkeling Die Motive sind aktuell: Gegen Rassismus, Marginalisierung und Ausbeutung hatte sich die linksgerichtete Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) am 1.Januar 1994 erhoben. Nun wurde der 10.Jahrestag gefeiert. Auf ein öffentlichkeitswirksames Großereignis wurde diesmal verzichtet. Noch vor einem Jahr besetzten 20.000 Zapatistas die Stadt San Cristóbal für einen Tag friedlich. Dieses Jahr dominierte die Kultur: Im Hochlanddorf Oventik, einem der fünf großen Zentren der Bewegung, versammelten sich am 31. Dezember rund 2500 Menschen,um mit Theaterstücken, Tänzen und Konzerten das nicht nur für Mexiko bedeutsame Jubiläum zu begehen. Trotz Nebel, Kälte und des Alkoholverbots der Zapatistas - das die Frauen der Bewegung vor Jahren durchsetzten - herrschten gute Laune und festliche Stimmung. Neben der ortsansässigen indigenen Bevölkerung waren auch hunderte Sympathisanten der EZLN aus Mexiko-Stadt, aus den USA und Europa gekommen. Und auch in den anderen Einflusszonen der Zapatistas, im Norden und im lakandonischen Urwald von Chiapas, fanden dutzende Feste statt. In zehn Jahren politischen Kampfes haben die Zapatistas einiges in Bewegung gebracht: Ihre Forderungen nach indigener Autonomie, nach demokratischen Strukturen und Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftspolitik haben viele gesellschaftliche Sektoren angeregt. Sie hatten einen wichtigen Anteil an der Abwahl der ehemaligen Staatspartei PRI. Trotzdem sind die Gemeinden im Widerstand bis heute in der Regel bitterarm und von Militärs umringt. Doch sie haben ihre Würde zurückerobert, denn seit Jahren leben die zapatistischen Dörfer in faktischer Autonomie, die im August 2003 mit der Ausrufung einer eigenen basisdemokratischen Verwaltung formalisiert wurde. Die Art und Weise, wie die Bewegung jetzt ihren Jahrestag feierte, zeigt, dass sich die EZLN als bewaffnete Arm weiter aus der Politik zurückziehen und der Basis das Feld überlassen will. Ein vermummter Sprecher rief im Namen der Organisation die EZLN-Unterstützer kurz vor Mitternacht dazu auf, ihren Widerstand gegen die Regierung und deren neoliberale Pläne fortzusetzen: »Nur im Widerstand und in der Rebellion können wir unsere Autonomie als indigene Völker aufbauen, denn wir warten nicht auf die Erlaubnis der schlechten Regierungen, um als die Indígenas in Freiheit und Autonomie leben zu können.« Das Kommuniqué der Zapatistas wandte sich jedoch auch an Nicht-Indígenas und die Gäste: »Wir grüßen und bedanken uns für die Unterstützung und die Solidarität vieler Brüder und Schwestern der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft, denn dadurch konnten wir die zehn Jahre des Krieges überleben und Widerstand leisten.« Tosender Beifall und in den Himmel schießende Silvesterraketen beendeten den förmlichen Teil der Veranstaltung. Der rebellische Jahreswechsel endete erst nach vielen weiteren Stunden eines ausgelassenen multikulturellen Tanzfestes im Morgengrauen des 1. Januar. Obwohl die zapatistische Bewegung im vergangenen Jahr viel erreicht hat und gegenwärtig relativ stark ist, bleibt die Situation in Chiapas gespannt. Neue Drohungen und Aktionen der regierungstreuen paramilitärischen Organisation »Frieden und Gerechtigkeit« belegen dies nachdrücklich, zumal die staatlichen Sicherheitskräfte nicht selten mit den Paramilitärs kooperieren und sie beispielsweise militärisch ausbilden.
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